Freitag, 18. Mai 2012

zwischen Nepal und Indien


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Seit Stunden dösen wir nur leicht vor uns hin. Über den Dächern der Häuser an der Straße geht die Sonne auf; so heiss und glühend rot wie die Tage zuvor, als wir sie durch die Zimmertür auf der Farm beobachten konnten. Es muss bald fünf Uhr sein. In einem der indischen Autos bewegt sich jemand und kommt versehentlich auf die Hupe. Plötzlich sind wir wach. Neben uns liegen vier Frauen auf einem Tuch am Boden zwischen den Autos. Eine davon schnarcht - wie die ganze Nacht über. Wir sehen zu den "Rebellen" hinüber, die es sich neben unserem Konvoi mit ihren Schlagstöcken für die Nacht bequem gemacht haben. Auch sie erwachen langsam. Wir packen unsere Rucksäcke und renken unsere Körper ein. Die Nacht auf dem Boden war hart und lang. "Happy", unser immer lustiger Inder kommt vorbei, um zu fragen, wie es uns geht. Das erste Auto wird gestartet; jeder will schnellstmöglich weiterfahren. Bereits auf den ersten Metern wird uns der gesamte Umfang der Unruhen der letzten Nacht klar. ...

Was war passiert?!
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Von vorne:
Als wir also über Umwege die Farm weit weg von der nächsten Stadt erreichten, wurden wir sehr herzlich von den lieben Menschen der Familie Bhattarai begrüßt. Sofort stellte sich Erleichterung und Zufriedenheit ein. Weit weg vom Lärm und Smog der Stadt durften wir also eine Woche an diesem überaus ruhigen und wunderschönen Ort erfahren, wie man auf einer Farm mit Ochsen, Ziegen, Bienen und Hühnern lebt.

Bald schon war klar, dass dort sehr urtümlich gelebt wird. Jeden Tag muss Wasser für Essen und Tiere besorgt werden. Ist Elektrizität da, ist es kein Problem. Falls nicht, wird es ein wenig härter. Besonders die fast unerträgliche Hitze macht alle körperliche Bewegung zwischen 8 und 18 Uhr zur Qual. In dieser Zeit wird jedoch nur das nötigste erledigt. Meistens sitzt man dann zusammen unterm Mangobaum und trinkt leckeren Chiya, schwarzen Tee mit Milch, oder isst gekochte Eier. Die tausend Hühner der Farm machen zwar viel Arbeit, dafür ernähren sie aber die Familie und ihre Gäste. Balaram, das Familienoberhaupt, erzählt uns, dass er bereits Volunteere aus über 30 Nationen begrüßen durfte. Und alle halfen gut mit beim Einsammeln und sortieren der über tausend Eier täglich.




Der Tagesablauf richtet sich auf dem Land also hauptsächlich nach der Verfügbarkeit von Wasser und Strom und der Temperatur. Wir halfen gerne mit und freuten uns auf die Zwischen-Snacks und das leckere Essen (Daal Bhaat).

Pradeep (Monaco-Franze), der älteste Sohn, zeigte uns im nahegelegenen Park, wie man einen Elefanten reitet, und dass es darauf sicherer ist, wenn man einem ausgewachsenen Rhinozerus begegnet.


 Die Mädchen der Familie, Pramila (Sissi) und Pratiksha (Christl), beide sehr fleissig, hatten immer ein süßes Lachen für uns parat.

Deurupa, die liebe Oma, zeigte uns, wie man auch mit 81 Jahren schweres Wasser schleppen und harte Hausarbeit verrichten kann.

Balaram und Deuga, die beiden Eltern, nahmen uns von Anfang an in ihre Familie mit auf und sorgten für uns.




Uns ging es also richtig gut! Aber nicht deshalb verlängerten wir unseren Nepalaufenthalt bis zum letzten Tag unseres Visums. Schuld daran waren die vielen Generalstreiks der politischen Parteien. An solchen Tagen darf kein Fahrzeug bewegt werden. Wie also sollten wir vom Land in die Stadt und von dort zur Grenze kommen?!

Ein Freund der Familie, inzwischen Taxifahrer in der nächsten Stadt (Narayanghar), erklärte sich bereit, uns zur Grenze zu fahren. Bereits auf den ersten Kilometern war uns klar: Er fühlt sich sehr unwohl in seiner Haut und macht sich große Sorgen. Langsam wurde es dunkel, die Barrikaden stärker und die politischen Aktivisten aggressiver. Immer öfter musste er in lauten Diskussionen erklären, dass er Touristen zur Grenze bringen muss. Das ist legal, Touristen sollen nicht zu Schaden kommen. Dann ging es plötzlich schnell: Mit grellen Taschenlampen wurden wir in unserem Auto angeleuchtet. Wir mussten schnell aussteigen und wurden mit unserem Gepäck in den Kofferraum eines vor uns fahrenden Autos einer indischen Kolonne verfrachtet. Da saßen wir nun, unsere Rucksäcke auf den Knien, zu zweit auf einem winzigen Sitz und wurden den Insassen des Autos vorgestellt: Wishal mit seiner Familie und einem Freund, zusammen mit den vielen anderen Indern in weiteren sechs Autos auf dem Heimweg nach Indien ("Namaskar!"). Die Fahrt ging weiter, durch die Nacht, durch viele Straßensperren; Immer wieder Streit und Diskussionen .... und die vielen selbsternannten Wächter des Streiks mit ihren Schlagstöcken.

Irgendwann hielten wir am Straßenrand an. "Wir müssen hier bleiben, bis es hell wird." Es war erst etwa neun Uhr abends. Der Tag, an dem unsere Visa ablaufen.

Der erste Kontakt mit den Indern war sehr positiv und freundlich. Als wäre es nicht die erste Nacht am Straßenrand, besorgten sie von einem ebenfalls "gestrandeten" Lkw Essen und Getränke. Sogar Daal Bhaat wurde gekocht. Wir wurden rundum versorgt und verwöhnt ohne Erwartung einer Gegenleistung. Es ergaben sich viele lange Gespräche und jeder Wunsch wurde uns von den Augen abgelesen. Nur war leider kein Platz mehr zum Schlafen im Auto frei, und so fanden wir uns auf dem Boden wieder, wo langsam unsere Glieder einschliefen, von Mücken zerstochen.

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Langsam aber stetig bahnte sich also unsere Kolonne den Weg durch Autoglasscherben und Überreste von Feuern auf der Straße, durch restliche Straßensperren hindurch Richtung Grenzstadt Sonauli. Links und rechts der Straße bot sich uns ein Bild mit einer Tiefe und Wirkung, dass es uns den Atem raubte: Von der Nacht übriggebliebene, immer noch heisse "Kämpfer" am Straßenrand, wartend auf nepalesische Autos, bereit, sie zu "stoppen", immer wieder Lkws mit offensichtlichen Kampfspuren, daneben ein alter Nepali, der sich an einer Wasserstelle ärgert, dass gerade, als er sich fertig gewaschen hat, ein Vogel genau über ihm sein Geschäft verrichtet hat, und weit hinten im Feld ein Arbeiter inmitten tiefer, fast bis zum Boden reichender Nebelschwaden, von der aufgehenden Sonne tiefrot gefärbt, sein Ochsengespann über den Boden steuernd. Und wir fuhren nach einer weiteren Kontrolle durch das Militär weiter Richtung Grenze.


Dass wir dort von den Indern, die keine Einreiseformalitäten zu erledigen haben, erst IN Indien abgesetzt wurden, war bereits nicht mehr verwunderlich. So stapften wir also mit abgelaufenem nepalesischen Visum zurück zur Grenze und erledigten die nötigen Formalitäten. Auch fanden wir sofort einen Bus, der uns in die nächste Stadt brachte, wo wir sogar für den selben Tag ein Zugticket nach Varanasi lösen konnten. Mal sehen, was uns dort erwartet. ...

FuN

1 Kommentar:

  1. Hey ihr Zwei, ich bin stolz auf euch! Beim lesen, hab ich richtig mitgefiebert. Hört sich super spannend und interessant an was ihr in diesen aufreibenden Stunden alles erlebt habt.

    Schön das es euch gut geht! Jetzt sucht euch erst mal einen ruhigen Ort und entspannt ein bisschen, ihr hab es wirklich verdient!

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