Freitag, 4. Mai 2012
Im Dach der Welt
Das Pochen des Herzschlags im Ohr, begleitet vom Rauschen eines Wasserfalls in der Nähe; werden wir ihn überqueren müssen? Seit gestern pocht das Herz irgendwie weiter oben im Hals; einen sicheren Aufsetzpunkt für die Trekkingstöcke suchen, linker Stock/rechter Fuß; langsam die massiven Stufen hoch, wieviele mögen es heute schon sein?; warum ist mir nur so heiss? Stehen bleiben, um einen Blick nach vorne, nach hinten, ... ins Tal zu werfen? Nein! Weiterstapfen! Nur bis zur nächsten Kurve! Müssen vor Mittag die Lawinenzone passiert haben. Dann aber wieder dringend Pause machen, trinken, sich umschauen und die Umgebung betrachten, realisieren, wo man sich gerade befindet, welche Situationen man durchlebt, .... Ein Foto machen. Akkus sind in der Hosentasche, nah am Körper. Franzi hat vorgelesen, dass sich Batterien in der Kälte schneller entladen. Was ist das für ein Donnern? Blick nach oben. Lawine? Viele Gedanken schwirren durch den Kopf; viel zu lange schon herrscht Ruhe, man kann sich konzentrieren, die Gedanken formen sich. Was wird in ein paar Wochen, wenn wir zurück in Deutschland... im Ref, im PA?! Und sonst?! Keinen wirklich festen Gedanken fassen können; Guide mit Gruppe von Japanern mit ihren Portern (Trägern) kommt entgegen: Namaste! Weitergehen, wann kommt das nächste Dorf? Wie hoch sind wir schon? Natur genießen,... Stehenbleiben, lachen und Kopfschütteln vor Freude!
WIR SIND IM HIMALAYAGEBIRGE, UNTERWEGS ZUM ANNAPURNA-BASECAMP!
...und in den Bäumen springen ein paar Affen hin und her.
Vieles heisst es in diesen Tagen zu verarbeiten! Viele Erfahrungen, Situationen, Kälte, Hitze, Höhe,... Dabei handelt es sich beim Trek mit dem Namen "Annapurna Sanctuary (Annapurna Heiligtum)" doch nur um einen "mittelschweren Kurztrek" in nepals Himalayagebirge (dem landschaftlich schönsten und abwechslungsreichsten).
Und doch war es für uns nach den langen Tagen in Kathmandus Smog und Stress wie ein Befreiungsschlag, als wir am Startpunkt des Treks aus dem Auto stiegen. Frischluft, und bereits nach ein paar Gehminuten keine Touristen mehr.
8 - 12 Tage sollte der Trek dauern. Ein bis zwei Tage für die Höhenanpassung muss man mit einberechnen. Die Unterkünfte sind preislich an Vorgaben gebunden. Wie wird das alles werden? Was werden wir essen, wie geht das mit dem Wasser? Weiter oben in den Bergen kann man Wasser abkochen und in eigene Flaschen abfüllen lassen. Wie werden unsere Mägen reagieren?
Viele ungeklärte Probleme und unbeantwortete Fragen warteten auf uns.
Die fragenden und zweifelnden Gesichter entgegenkommender oder am Wegrand wohnender Nepalesen beunruhigten uns nicht lange: Wir haben uns gegen einen Guide und Träger entschieden. Auch, wenn wir diesen Menschen diese Einnahmequelle gönnen würden, wir wollen auf eigene Faust zum ABC kommen. Weiter oben geben uns später Guides und Porter jederzeit Tipps und Ratschläge und sind immer gut für einen kleinen Plausch mit Leuten außerhalb ihrer Gruppen.
Am Ende ist alles bestens gelaufen! Ich (Neo) hatte beim Abstieg Probleme mit dem rechten Knie, die sich aber nach einer heissen Nudelsuppe und einer Schmerztablette ertragen ließen. Als treue und höchst nützliche Helfer erwiesen sich unsere Wanderstöcke, die wir zu keiner Zeit missen wollten. Auch ist unser Plan, das ABC am vierten Tag ohne Höhenanpassungstag im tieferen Macchapuchre-Basecamp (MBC) zu erreichen und dort zu übernachten gut aufgegangen. Ich (Neo) konnte nachts zwar kein Auge zumachen - mein Magen spielte ein wenig verrückt (musste abends ja auch noch die Reste von vier halbhungrigen Spaniern aufessen) - der Sonnenaufgang um 5:30 Uhr und das damit verbundenen Licht- und Schattenspektakel in den uns umgebenden Sieben- und Achttausender-Gipfeln entschädigte für alle Strapazen.
So standen wir also in rund fünfig Zentimetern Neuschnee und genossen die Stimmung, die sich auf uns wie etwas wohlig warmes und vereinigendes legte, vereinigend mit dem Rest der Welt, die viele Meter und Kilometer unter diesen Gipfeln liegt, dem DACH DER WELT.
Nun sind wir wieder zurück in Pokhara. Die Zivilisation hat uns wieder und wir fühlen uns noch ein wenig fehl am Platz. Leider findet man sich aber doch viel zu schnell wieder ein in der gewohnten Umgebung mit all ihren Annehmlichkeiten. Und doch haben wir wieder ein großes Stück andere Welt gesehen, sind unseren Grenzen nahegekommen, können nun manche Dinge besser verstehen, ....haben ein wenig hinter die Kulissen geschaut. Und was uns ganz wichtig ist: Wir konnten die Gewalt und Herrlichkeit der Natur am eigenen Körper fühlen und erleben.
Danke Nepal!
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mir kommen beim lesen und sehen und staunen einfach die Tränen...
AntwortenLöschenich weiß nicht was ich sagen / schreiben soll.. ich bin grad einfach zu gerührt, zu berührt und bin einfach sprachlos!..
wahnsinn, unglaublich, verrückt, unbeschreiblich.. das sind die worte die ich finde..
Eure Laura
Hallo Ihr Zwei,
AntwortenLöschenich kann mich Laura nur anschließen. Bin sprachlos vor Staunen was Ihr Beiden erlebt und wie Ihr das alles meistert.
Wünsche Euch noch viele spannende Tage auf Eurer großen Reise
Crissy Vetter
Auch wir staunen hier, was ihr so alles treibt.
AntwortenLöschenDa fehlen die Worte ein bißerl zum Schreiben ;-)
Ganz liebe Grüße
Karin und der Rest der Hanawitsch´s